Das Interview – Die richtige Vorbereitung Teil 2

Ein geöffnetetes Mac Book. Auf einem Schreibböock wird etwas notiert.

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich Dir erklärt, was meiner Meinung nach zu einer guten Vorbereitung für ein forensisches Interview gehört. Ich bin dort der Frage nachgegangen, was ich aus meinen eigenen Shows für den Job ableiten kann, warum es wichtig ist die Anwesenden im Raum richtig zu platzieren, was eine gute Einweisung aller Mitwirkenden bedeutet und wie bedeutend Datenschutz für Dein Interview ist. Hier geht es nun weiter. Viel Spaß beim Lesen!

Safety First

Ich hatte es in einem anderen Artikel schon beschrieben: Die Stimmung während Deiner Interviews kann, je nach Situation, auch schon mal sehr angespannt sein. Und bei allem Talent für das Führen eines non konfrontativen Gespräches kann es passieren, dass Dein Interviewpartner bezüglich des angesprochenen Themas sehr emotional reagiert.
Dies begegnet mir hin und wieder selber in der Praxis. Soweit dabei nichts Schlimmes passiert und es nicht zu Handgreiflichkeiten oder ähnlichem kommt, ist das auch ok und gehört manchmal einfach zum Charakter Deines Gesprächspartners.
Hier empfehle ich, sich ein „dickes Fell“  anzueignen und gewisse Dinge nicht zu persönlich zu nehmen. Das bedeutet natürlich aber auch nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss. Auf grobe Beleidigungen oder Drohungen sollte man schon angemessen, eventuell sogar mit dem Abbruch des Interviews, reagieren. Denn generell gilt, dass die Sicherheit aller im Raum anwesenden Personen Vorrang vor der Erlangung der Wahrheit hat.
Das gilt übrigens auch für Dich selber.
Mir ist es letztens erst passiert, dass mich ein Interviewpartner, dem ich einige gestohlene Produkte nachweisen konnte, ganz subtil bedrohte.
Er machte ständig zweideutige Anspielungen und starrte die ganze Zeit auf meinen Mitarbeiterausweis, der üblicherweise an einem Lanyard um meinen Hals hängt. Darauf kann man neben dem Mitarbeiter Login den Kompletten Vor- und Nachnamen lesen. Normalerweise stecke ich diesen vor jedem Interview immer in meinen Pulli, um halbwegs anonym zu bleiben. Aber an dem Tag habe ich es einfach vergessen. Wie der Zufall es will, hatte sich der Ausweis aber auf die Rückseite gedreht. Dort ist der Name nicht zu lesen. Glück gehabt.
Also denke bitte auch daran dich selber zu schützen. Beim Gesprächseinstieg ist es zur Entwicklung des Rapports verführerisch über die eigenen Kinder zu reden, wenn Dein Gesprächspartner auch welche hat. Tu das nicht! Das macht dich angreifbar auf einer Ebene, die man aus dem Job auf jeden Fall raushalten sollte.

Sei eine Legende!

Für meine Einsätze im Ausland wurde uns geraten bei Gesprächen mit Informanten und Zielen niemals unsere eigene „Geschichte“ zu erzählen, sondern eine sogenannte Legende zu erfinden.
Es gibt sogar einen ziemlich guten Trick, um damit nicht aufzufallen, wenn man mal spontan auf eine Frage antworten muss: Verwende einfach die Identität von jemanden, den Du ziemlich gut kennst als Deine Eigene Geschichte. Natürlich gibst Du keine Daten von demjenigen preis, sondern nur dessen „Eckdaten“.
Wenn Du zum Beispiel gefragt werden solltest, wie Dein Hund heißt, oder was Deine Frau beruflich macht, dann hast Du direkt eine (falsche) Antwort parat, ohne ins Straucheln zu geraten, da Du dir nicht erst schnell noch etwas ausdenken musst.
Probiere die Technik ruhig mal zuhause mit jemandem aus, der Dir Fragen zu Deiner falschen Identität stellen soll. Je besser Du den Identitätsgeber kennst, desto leichter wird Dir das fallen.
Wichtig: Bitte nicht damit verwechseln, dass Du unter einer komplett falschen Identität in das Gespräch gehst. Hier wirst Du spätestens dann Probleme bekommen, wenn es bezüglich der Taten Deines Gesprächspartners zu einem Gerichtstermin kommt und Du z.B. als Zeuge aussagen musst. Wenn Du da vorher beim Interview einen falschen Namen genannt hast, freut sich hinterher jeder Anwalt.
Will Dein Interviewpartner den Raum verlassen, dann hindere ihn nicht daran. Durch seine Positionierung im Raum hast Du dafür gesorgt, dass er dies ohne Umwege und Hindernisse tun kann. Du selber sitz ihm am besten gegenüber mit einem Abstand von ca. 2m. Diesen kannst Du, gerade um während des Interviews den Rapport zu vertiefen, bei Gelegenheit verringern.

Halte generell niemanden auf, der Deinen Interviewraum verlassen will. Es gibt keinen Grund dafür jemanden unrechtmäßig gegen seinen Willen festzuhalten. Du bist nicht die Polizei!
Sorge dafür, dass sich nichts im Raum befindet, dass in irgendeiner Weise als Waffe verwendet werden könnte. Wenn Du einen Kuli hast, dann stecke diesen am besten immer weg, wenn Du ihn nicht benötigst. Auch dieser könnte als Waffe benutzt werden. Wenn Du Beweismittel in Form von Schusswaffen, Schlaginstrumenten, Spritzen oder sonstigen gefährlichen Gegenständen hast, dann solltest Du diese nicht im Interviewraum haben. Überlege Dir, ob es nicht auch langt Fotos davon zu haben. In einem späteren Artikel komme ich noch darauf, dass ein bisschen „Papierkram“ durchaus seinen Nutzen haben kann.

Der Gang nach Canossa

Du kannst Dir vermutlich vorstellen, wie schwer es sein mag, wenn man zu einem Mitarbeiterinterview geht. In den meisten Fällen weiß Dein Gesprächspartner natürlich, was der Grund eures Gespräches ist. Schließlich verfügt er ja, zumindest wenn Du ihn als Verdächtigen sprechen möchtest, vermutlich über das Wissen um die Tat.
Nun gibt es da ja auf der einen Seite die komplett abgebrühten Typen und andererseits solche, denen die Situation sehr unangenehm und peinlich ist. Mach es ihnen leicht und führe sie nicht wie einen „Bären mit Ring in der Nase“ durch die Manege. Was genau ich damit meine? Es beginnt schon, wenn Dein Gesprächspartner das Firmengelände betritt:
In vielen Firmen wird ein Zugang zum Gelände und/oder zum Gebäude nur mit Firmenausweis gewährt. Besucher werden dabei aus Gründen der Sicherheit oft begleitet zu ihrem Termin gebracht. Dies geschieht einfach aus dem Grund, dass sie nicht verlorengehen oder im Gebäude irgendwelche Dummheiten anstellen.
Jetzt kann es zum Beispiel sein, dass Dein Interviewpartner schon nicht mehr im Besitz seines Ausweises ist, weil ihm dieser bereits abgenommen wurde. In diesem Fall solltest Du ihn wie jeden anderen Besucher behandeln. Wenn es also firmenintern üblich ist, dass ein Mitarbeiter von der Rezeption Besucher zu ihren jeweiligen Terminen im Haus eskortiert, dann sollte das auch jetzt so sein.
Nichts ist für den Aufbau einer vertrauensvollen Atmosphäre schlimmer, als wenn Du ihn nun plötzlich von zwei bulligen Security Mitarbeitern abholen lässt, die ihn vielleicht noch wie einen Sträfling in ihrer Mitte durch das Großraumbüro eskortieren.
Als Ausnahme sehe ich da übrigens den Fall, wenn ein Mitarbeiter redhanded, also auf frischer Tat, ertappt wurde und Du die Polizei einschaltest. Hierbei kann es unter dem Gesichtspunkt der Prävention schon hilfreich sein, wenn dieser – für alle anderen Mitarbeiter sichtbar – von den Beamten abgeführt wird. Ab und zu erlebe ich sogar, dass dies in Handschellen geschieht. Zumeist immer dann, wenn sich bei der Überprüfung der Personalien durch die Polizei herausstellt, dass der Mitarbeiter schon bereits wegen z.B. Diebstahl oder Körperverletzung vorbestraft ist. Aber dies liegt ganz im Ermessen der Polizei und ich habe dies schon mit und ohne Handschellen erlebt.

Die Begrüßung Deines Interviewpartners durch sollte so erfolgen, dass jemand der nicht weiß was Deine Funktion ist denkt, Du hättest ein ganz normales Meeting. Tatsächlich ist es bei mir oft so, dass nur ein sehr kleiner Teilnehmerkreis weiß, was ich da eigentlich mache.
Zumindest ist das immer so vorgesehen. Aber ich sprach ja schon über den Flurfunk in Unternehmen, oder?
Jedenfalls nehme ich meine Interviewpartner schon bereits ab der Eingangstür des Großraumbüros in Empfang und bringe sie persönlich zum Interviewraum. Dabei führe ich schon mal den ersten Smalltalk (Haben sie gut hierher gefunden? Standen Sie auch im Stau? Ganz schön warm heute, oder?. etc., etc.) und sorge so schon mal für eine einigermaßen entspannte Atmosphäre.

Who is who?

Ich habe ja oben schon erwähnt, dass es außer Dir und deinem Interviewpartner den nicht ganz so optimalen Fall geben kann, dass außer Euch noch andere Personen im Raum sind. Das können z.B. Gesprächszeugen, Vertreter von Human Resources, Eltern von Minderjährigen, ein Übersetzer, oder sonst wer sein, dessen Anwesenheit aus einem bestimmten Grund erforderlich ist. Beschränke hierbei bitte die Personenzahl auf das absolut Notwendige. Ich erlebe es immer mal, dass Personen, die sich für meinen Job interessieren oder einfach nur neugierig sind fragen, ob sie mal zugucken können. Du musst Dir im Klaren darüber sein, dass das was Du da machst kein Streichelzoo ist. Es gibt in unserem Job keine Zuschauer, ohne Funktion. Punkt!
Es ist absolut wichtig, dass Du alle Anwesenden im Raum und ihre Funktion vorstellst. Es muss auch klar werden, dass trotzdem nur Du und dein Interviewpartner miteinander redet.
Was Du im Sinne des Rapports auf jeden Fall vermeiden musst ist, dass Dein Gesprächspartner das Interview als ein 2+X-gegen-1-Szenario wahrnimmt. Überlege einmal kurz selber, wie Du dich selber in so einer Situation fühlen würdest, wenn da die Führungsebene vor Dir sitzt und Du in dem Moment ganz alleine dort bist. Es ist ganz generell einfach kein gutes Gefühl ein ohnehin schon unangenehmes Gespräch zu führen, wenn mehr als zwei Personen im Raum sind.

Ich hoffe meine Tipps aus den beiden Teilen dieser Artikelserie geben Dir eine erste Hilfestellung für Dein erstes Interview. Vielleicht bist Du aber auch schon ein Profi, dem ich zumindest in der einen oder anderen Sache einen kleinen Denkanstoß geben konnte. Es würde mich freuen, wenn dem so ist und Du mir ein kleines Feedback dazu unter info@marc-hagenbeck.com , oder auf Social Media geben könntest.

Bleib neugierig!

Marc Hagenbeck