In der Kategorie „Wicklander, Zulawski und ich.“ geht es auch, aber nicht nur um Fachthemen.
Hier teile ich mit Dir Gedanken zu meinem Alltag als Ermittler aus einer eher persönlichen Sichtweise heraus.
Du bist dabei quasi Backstage in meinem Kopf. Die Texte können daher mal nachdenklich, mahnend, besinnlich aber auch total lustig sein. Gerade so, wie es halt kommt. Heute teile ich mit Dir meine Gedanken zum Thema virtuelle Interviews. Viel Spaß beim Lesen!
Verrückte Welt
Was waren das zwei verrückte Jahre, oder? Am 27. Januar 2020 wurde der erste Covid 19 Fall in Bayern gemeldet. Spätestens seit da, ging es hier in Deutschland so richtig zur Sache. Die Pandemie hat sich seitdem (zumindest für mich) auf zwei wesentliche Bereiche ausgewirkt:
In unserem Privatleben ist nichts mehr wie zuvor.
Kinder mussten zunächst zuhause von überforderten Eltern betreut und unterrichtet werden. Es mussten Betreuungen gesucht werden, weil Kitas geschlossen waren. Plötzlich soll man „von Zuhause aus“ arbeiten. Seitdem muss man überall wo man hingeht Masken tragen. Und wenn man dann angekommen ist stellt man fest, dass es keine Nudeln und kein Toilettenpapier mehr gibt. Na gut, die Hamsterphase scheinen wir mittlerweile ja zum Glück überwunden zu haben.
Tja und auch im Berufsleben gibt es Neues.
Plötzlich haben fleißige Helferlein der Haustechnik, quasi über Nacht, Plexiglaswände dort aufgestellt, wo man gestern noch zum netten Plausch unter Kollegen die Köpfe beieinander stecken konnte.
Der Weg zur Kantine ist jetzt mit Pfeilen vorgegeben und wehe man weicht vom Weg ab!
Spontan zur Kaffeemaschine springen? Nene! Vergiss es! Such erstmal Deine Maske!
Und ohne gültiges Impfzertifikat und drölfzigste Boosterung, kommst Du schon gar nicht erst ins Gebäude rein.
Kann sich noch einer an die coolen Teamevents von früher erinnern? Oder Weihnachtsfeiern mit Kollegen? So richtig? Ich meine in „Live“? Hach! Alle diese Maßnahmen machen natürlich Sinn. Es macht halt nur einfach keinen Spaß.
Und im Mentalismus läuft es auch nicht besser: Neulich fragte mich jemand, warum ich es nicht wie andere Künstler mache und meine Mentalshows auch online anbiete. Das kommt für mich nicht in Frage.
Meine beiden abendfüllenden Shows („R(h)ein mental“ und „Der Psychotrainer“) und meine Shows für Firmenevents haben in den letzten 12 Jahren tausende Zuschauer gesehen. Immer war dabei das Kernstück der persönliche Kontakt zu den Zuschauern im Saal und auf der Bühne. Sorry, aber da verzichte ich lieber bis es wieder möglich ist. Ich brauche die Seele der Bühne. Online gibt mir das nichts und das würden die Zuschauer merken.
Ich war YPS-Agent und Mickey Maus Detektiv
Ich liebe meinen Job. Wirklich!
Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich früher als Kind Yps-Geheimagent und Mickey Maus Detektiv war? Kein Witz!
Eines Tages stürmte meine Mutter – sie kam gerade von der Arbeit- in mein Zimmer und meinte im scharfen Ton, ich solle sofort das Schild aus dem Fenster nehmen.
Mit der krakeligen Schrift eines zehnjährigen hatte ich mit Wachsmalstiften auf die Rückseite meines DINA3 Blockes „Detektei Hagenbeck. Ich übernehme jeden Fall.“ geschrieben. Vielleicht hätte meine Mutter das an sich ganz witzig gefunden, wenn ich nicht die Nummer unseres Festnetzanschlusses dazugeschrieben hätte. Das Schild war von der Straße aus jedenfalls gut zu lesen.
Und überhaupt: Wer noch nie den hellen Hochfloorteppich seines Kinderzimmers mit Graphit-Fingerabdruck Pulver aus der Yps ruinierte, hat nie wirklich gelebt. Von daher lebe ich in gewisser Weise heute meinen Kindheitstraum.
Ich merke gerade, dass ich vom Thema abschweife, sorry! Wo war ich? Ach ja: Ich liebe meinen Job.
Die gute, alte Zeit
Leider macht er mir seit der Pandemie nicht mehr ganz sooo viel Spaß, wie früher.
Ich vermisse einfach die „richtigen“ Interviews, wo man sich zur Begrüßung noch die Hand gab und am Druck und der Feuchtigkeit der Hand schon einen ersten Eindruck von seinem Gegenüber hatte.
Ich vermisse das Lesen von Gesichtern. Gerade um die Mundpartie herum geschieht körpersprachlich eine Menge. Aber mit einer ausführlichen Analyse ist nun, dank Maske, erst mal Schluss.
Früher war es manchmal auch so, dass man etwas näher an den Verdächtigen herangerückt ist, um ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter zu legen wenn man merkte, dass dieser mit seinem Gewissen zu kämpfen hatte oder kurz davor stand ein Geständnis abzulegen.
Heute undenkbar, es sei denn Du hast Arme die 2 Meter lang sind. Mindestabstand und so.
Aber das schlimmste für mich sind Tage, an denen Fallzahlen in bestimmten Gebieten so hoch sind, dass man sich nicht persönlich zum Gespräch treffen kann. Hier muss man sich dann leider mit Videokonferenzsoftware begnügen.
Klar geht das. Irgendwie. Aber es kann natürlich niemals ein echtes Gespräch ersetzen.
Es fängt ja schon an, wenn Dein Gegenüber nicht über eine ordentliche Technik für eine saubere Übertragung, also Laptop, Kamera und stabile Internetleitung, verfügt. Da rauscht und kracht es dann im Gebälk und ein ordentlicher Gesprächsaufbau – quasi meine Choreografie der Gesprächsführung – kann nur schwer erfolgen. Man schaut sich dabei auch nicht in Augen, sondern aufgrund der Bildschirmpositionen immer aneinander vorbei. Dabei ist gerade der Augenkontakt – weicht er meinem Blick aus, oder schaut er mir direkt in die Augen? – in den Momenten, in denen eine kritische Frage gestellt wird essentiell. Wie will man eine Veränderung in der Tonhöhe, oder ein leichtes Zittern in der Stimme feststellen, wenn das integrierte Mikrofon des Museumslapptops wie das Bordmikrofon von Kapitän Hansen klingt?
5 Vorteile virtueller Interviews
Aber ich will nicht nur negativ sein, sondern an dieser Stelle auch einmal versuchen 5 Vorteile von virtuellen Interviews aufzulisten:
1. Aufgrund von Fluktuationen ist es durchaus möglich, dass mein POI nächste Woche schon nicht mehr im Unternehmen ist. Mithilfe von virtuellen Interviews kann ich sofort reagieren.
2. Einsatzgebiete (Regionen) werden ja in der Regel immer größer, anstatt kleiner. Trotzdem soll man diese mit der gleichen Gründlichkeit bei meist gleichem Personaleinsatz bearbeiten. Hier ist man natürlich mit der Telefonkonferenz wesentlich flexibler und kann das Pensum gut in den Griff kriegen.
3. Für jedes Interview, das ich virtuell führe, fallen keine weiteren Kosten für Flug, Hotel und Verpflegung an.
4. Jeder Tag, den ich nicht in irgendeinem ICE verbringe, jede Stunde, die ich nicht im Stau stehe und jeder Abend, den ich nicht alleine in einem Hotelzimmer vor dem Fernseher sitze, bedeutet für mich Freizeit mit der Familie.
5. Der Pyjama-Faktor. Ich kann das Interview in meinem Pyjama führen, nur „obenrum“ muss ich dabei etwas Seriöses tragen.
Kleiner Spaß an dieser Stelle. Im Jogger im Homeoffice zu sein war am Anfang ganz witzig, aber mittlerweile mach ich mich morgens genau so fertig, als würde ich ins Büro gehen. Ich kenne einige Kollegen, die das genauso machen. Man kann es nicht genau erklären, aber ordentliche Kleidung im Homeoffice zu tragen wirkt sich meiner Meinung nach schon auf die innere Haltung zum Job aus. Ich „fühle“ mich dann mehr als Profi.
Gesundes Mittelmaß
Es ist natürlich auch teilweise eine Frage des richtigen Augenmaßes und der verantwortungsvolle Umgang mit dem Thema, wenn man die Möglichkeit hat zu entscheiden, ob man jetzt eine Befragung virtuell oder live durchführt.
Ich mache es mittlerweile so dass ich weniger erfolgsversprechende oder unkritische Interviews, bei denen eher nur Spesen, anstatt Informationen zu erwarten sind, virtuell durchführe.
Relevante Interviews mit einem zu erwartendem schwierigen Gesprächspartner versuche ich immer live durchzuführen. Dies gelingt derzeit aufgrund der aktuellen Bestimmungen zu Covid 19 ganz gut.
Und wenn ich irgendwann auf all das keine Lust mehr habe? Dann hole ich vielleicht wieder meine alten Wachsmalstifte und den DINA3 Block raus und schreibe ein Schild…
Haltet durch und bleibt gesund!