Ohne Rapport – OHNE MICH!

Als Interviewer ist es unser Job auf der Suche nach Wahrheit Fakten zu finden und Informationen zu analysieren. Wie kann uns das am besten gelingen? Auf jeden Fall nicht ohne Rapport. In diesem Beitrag erkläre ich Dir, wie Du die Gefühle Deiner Gesprächspartner verstehen und ein korrektes Auftreten gezielt zum Erfolg Deines Interviews einsetzen kannst.

Eine gute Kommunikation ist das Wichtigste im Interview.
Ein wesentlicher Bestandteil eines erfolgreichen Interviews, ist die effektive Kommunikation mit dem Gesprächspartner, indem wir über das „bloße Reden“ hinausgehen und eine Verbindung auf menschlicher Ebene herstellen. Jeder hat die Fähigkeit, eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen. Und das kannst Du gezielt nutzen. Zeig Dich dabei ruhig als Mensch. Behandle niemanden von oben herab. Sei ein Freund!

Als routinierte Interviewer ist es für uns kein Problem mit Menschen zu sprechen, jedoch zeigt die Praxis, dass wir es manchmal auch mit einem verängstigten Gegenüber zu tun haben können. Es ist für unseren Job daher unerlässlich, sich jeder Zeit mit Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Rasse und ethnischer Zugehörigkeit, über verschiedene Arten von Straftaten oder Vorfällen unterhalten zu können, auch wenn dies für uns (beide) eine unangenehme Situation bedeutet. Die Kunst mit jemandem zu kommunizieren und dabei zuzuhören, die Körpersprache zu beobachten und Informationen zu erhalten, ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Gesprächsergebnis. Zum Glück kann an das lernen.

Die Gefühle meines Gegenübers verstehen.
Rapport ist das Herstellen von Gemeinsamkeiten mit jemandem während eines Gesprächs. Es ist die Verbindung und ein Baustein für das Gespräch. Es geht darum, sich auf eine andere Person einzulassen und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen. Der Schlüssel ist, Verständnis zu haben und Mitgefühl zu vermitteln. In den meisten Interview-/Verhörszenarien wirst Du mit der Situation konfrontiert sein, in der Dein Gesprächspartnerpartner entweder wegen des Interviews selbst oder wegen des Vorfalls, über den Du dich erkundigst, nervös ist.

Hier müssen wir – zumindest für die Zeit im Interview – der Freund sein der ihm vermittelt, dass alles ok ist und von uns keine Gefahr ausgeht.
Am leichtesten fällt mir das immer, wenn sich Gemeinsamkeiten oder gemeinsame Gesprächsfelder auftun.
Das können z. B. geografische Lage („Was, Du kommst aus Primosten? Da war ich letztes Jahr im Urlaub!“),
Alter („Ich bin fast Dein Baujahr! Hast Du auch schon Rücken?“),
Sport („Ja, die Bayern haben mal wieder ne tolle Saison hingelegt“),
Kinder (Ja, wem sagst Du das. Meiner wird jetzt auch bald 13, bei dem ist das genauso“),
Wetter usw. sein.
Ein ruhiges und professionelles Auftreten, leitet den Beziehungsaufbau ein.

Eine gute Vorbereitung des Interviews kann nicht schaden.
Der Beziehungsaufbau beginnt aber eigentlich schon mit der Hintergrundrecherche, die Du durchführst.
Ich hatte mal ein Interview mit jemandem, der in dem Verdacht stand eine Kundin in ihrer Wohnung bestohlen zu haben.
Wer so einen Fall mal hatte weiß, dass es schöneres gibt. Ich machte mir Gedanken darüber, wie ich trotzdem eine angenehme Gesprächsatmosphäre herstellen konnte. Ein „Eisbrecher“ musste also her.
Ich überprüfe vor jedem Interview meine Gesprächspartner in den gängigen sozialen Medien. Dies lieferte mir in der Vergangenheit schon oft Hinweise und interessante Querverbindungen, z.B. zu anderen verdächtigen Mitarbeitern.

Jedenfalls fand ich so heraus, dass mein Interviewpartner ebenfalls ein Fan von Heavy Metall Musik war. Damit war natürlich die Wahl meines Outfit einige Tage später klar. Meine Kollegen schauten zwar reichlich irritiert, als ich mit meinem besten Iron Maiden Shirt am Einsatzort erschien, aber es lohnte sich.
Meine Rechnung ging sogar so weit auf, dass mich mein Gesprächspartner von sich aus auf meinen Musikgeschmack ansprach. Bingo! Was folgte war ein viertelstündiges Gespräch über Musik. Das war unsere Gemeinsamkeit. Das war es, was mein Gegenüber soweit entspannen lies, dass ich in aller Ruhe seine Baseline, also u.a. seine „normale“ Körpersprache (die Wenigsten lügen wohl, wenn sie voller Begeisterung über ihr Hobby reden) analysieren konnte. Was es mit der Baseline genau auf sich hat, erkläre ich in einem anderen Beitrag.

Kleider machen Leute, auch bei der Suche nach der Wahrheit.
Ein weiterer Bereich, in dem eine Beziehung aufgebaut werden kann, oft auf einer unbewussten Ebene, ist Dein Erscheinungsbild. Eine dem Thema, dem Ort oder der Situation angemessene Kleidung kann dabei helfen, Professionalität zu demonstrieren. In meiner Ausbildung zum Certified Interviewer bei Wicklander-Zulawski sagte mal einer der Ausbilder:
Man soll es mit der Kleidung nicht übertreiben und immer nur eine Nuance besser gekleidet sein, als der Interviewpartner.
Du kannst Dir also vorstellen, dass mein Iron Maiden Shirt eher selten zum Einsatz kommt.

Lasse reden!
Sobald das Gespräch begonnen hat, erleichtert die Verwendung offener Fragen den Aufbau einer Beziehung, z. B. die Frage: „Erzählen Sie mir, was Sie gestern nach der Arbeit gemacht haben.“ Wenn ein Punkt davon für Dich besonders interessant erscheint, dann stelle ruhig auch schon mal eine Echo Frage. Das sind Fragen, die einfach einen Teil des gerade gesagt wiederholen und den Gesprächspartner dazu animieren ggf. tiefer ins Detail zu gehen.

Beispiel:
POI (Person of Interest, also der Gesprächspartner): „[…] und als ich dann gegen 17:30 das Werksgelände verlies, hat mich der Jochen am Parkplatz abgeholt und mich nach Hause gebracht.“
Ermittler: „Jochen?“
POI: „Ja Jochen, mein Kumpel. Wir sind an dem besagten Wochenende noch nach Koblenz gefahren um[…]

Diese Fragen ermöglichen den Fluss einer Erzählung des Probanden. Er sollte während der Erzählung nicht unterbrochen werden. Hör aufmerksam zu, welche Informationen er preisgibt und suche nach Informationen, bei denen Du im weiteren Verlauf des Gespräches nachfassen kannst. Außerdem kann die Reihenfolge in der ein Gesprächspartner Informationen preisgibt von Bedeutung sein. Manche erwähnen als erstes, was für sie am wichtigsten ist.
Aber Achtung: Alles was wir hier machen ist keine Raketenwissenschaft. Es kann sein, dass Dein Gesprächspartner so aufgeregt ist, dass die Reihenfolge seiner Erzählung überhaupt keine Relevanz hat. Hier musst Du mit sehr viel Feingefühl bewerten.

Etabliere einen Rapport, ohne Dich zu verkrampfen.
Um den Rapport zu festigen, kann das nonverbale Konzept des „Spiegelns“ herangezogen werden. Dabei spiegelst oder kopierst Du die Körpersprache des Gesprächpartners. Dies kann das Überkreuzen der Beine, das nach vorne beugen zur Person, Kopfnicken und die Geschwindigkeit oder den Tonfall der Stimme umfassen.

Unbewusst vermittelst Du so Deinem Gegenüber, das dass Ihr beide in Eurem Verhalten gleich seid. Dies muss auf subtile Weise geschehen und trägt wesentlich dazu bei, dass er sich wohl fühlt und somit ein Gefühl der Gemeinsamkeit, des Vertrauens und der Verbundenheit entsteht.
Weniger auffällig ist es hierbei übrigens, wenn Du versetzt spiegelst, also nicht direkt seine Körperhaltung kopierst, sondern das verschränken der Arme zum Beispiel erst dann spiegelst, wenn er es selber nicht mehr tut. Nichts wäre schlimmer, als wenn jemand plötzlich merkt, dass Du ihn spiegelst.

Der Gesprächspartner sollte nicht das Gefühl haben, dass Du Rapport erzwingen willst. Alle Techniken müssen reibungslos ablaufen und von ihm unbemerkt bleiben. Andernfalls gehen die Kommunikation, das Vertrauen und die Beziehung, die wir uns wünschen, verloren. Wer uns mag, vertraut und glaubt, dass wir ihm ähnlich sind, der wird sich leichter auf uns einlassen. Trotzdem wäre es halt sehr durchschaubar, wenn ich im Beispiel oben gleich zu Beginn mit den Worten „Ich mag Heavy Metall, und Du?“ in das Gespräch eingestiegen wäre. Jeder Trottel würde diesen stümperhaften Versuch sofort durchschauen und Dir augenblicklich mit Argwohn begegnen.

Es ist viel einfacher, ein Gefühl der Verbundenheit mit jemandem aufzubauen, der das Gefühl hat, dass es eine Gemeinsamkeit zwischen euch gibt. Rapport kann durch das gesprochene und unausgesprochene Wort erreicht werden und sollte sanft und natürlich in der Präsentation sein. Sei also wirklich Du selbst und verstelle Dich nicht. Das merkt jeder sofort.

Rapport sollte man nicht mit Sympathie verwechseln. Wir müssen den, der uns da gegenüber sitzt nicht mögen, aber es ist wichtig, ein Gefühl der Fürsorge zu zeigen und sich tatsächlich für ihn zu interessieren. Nimm Dir zu Beginn des Gespräches Zeit für den Beziehungsaufbau und galoppiere nicht direkt zum Hauptthema.

Denk immer daran: Menschen reden gerne über sich selbst. Nutze das!