Selbstreflexion – Steh Dir nicht selbst im Weg!

In diesem Beitrag erkläre ich Dir eine Falle, in die wir Ermittler hin und wieder tappen könnten, wenn wir nicht ständig Selbstreflexion üben würden. Gerade für Anfänger liefere ich hier wertvolle Informationen, wie man sich während des Interviews nicht selbst im Weg steht.

Wenn man auf der Suche nach der Wahrheit ist, dann ist es hoffentlich nicht selten der Fall, dass man selber hohe moralische Werte besitzt.
In der Praxis kann es dann passieren, dass uns eine Tat persönlich mehr „greift“, als dies normalerweise der Fall wäre. Dies ist z.B. bei mir immer der Fall, wenn es um sexuelle Übergriffe geht.
Manchmal neigt unser Ego dazu, dass wir uns moralisch über unser Gegenüber erheben wollen. Ich kenne das von mir selber. Wenn ich an diesen Punkt komme die Dinge sogar persönlich zu nehmen, atme ich einmal ganz kurz durch und denke:
„STOP! Mal im Ernst: Ich bin hier der Profi. Das ist mein Job. Warum also soll ich das jetzt persönlich nehmen?“
Hier geht es nicht darum WAS jemand getan hat (das weiß ich in der Regel ja schon), sondern nur um die Frage WARUM er etwas getan hat. Nur der, der mir gegenüber sitzt muss sich in diesem Moment mit der moralischen Bewertung seiner Tat auseinandersetzen. Ich bin die Schweiz.
Suche nach der Wahrheit… Du erinnerst Dich?“

Vertraue Deinen Fähigkeiten!
Die Person uns gegenüber ist per se ja vielleicht kein schlechter Mensch, sondern in erster Linie jemand, der eine falsche Entscheidung getroffen hat. Auf dieses Problem müssen wir uns konzentrieren.

Schuldzuweisungen sind Gift für jedes Interview. Wenn es uns gelingt das Handeln der Person nicht zu verurteilen, können wir ein unvoreingenommenes Interview führen.
Einer der ersten Sätze, die ich während meines WZ-Trainings notiert hatte war:
Du musst im Interview der Freund sein, dem man gerne (s)ein Geheimnis anvertrauen möchte.

Denk mal drüber nach. Freunde verurteilen Dich nicht, oder? Glaub mir: Ich weiß, dass das jetzt in der Theorie alles so schön klingt. Aber mit mehr Erfahrung schafft es jeder von uns sich diesen notwendigen, professionellen „Panzer“ zuzulegen. Hab dabei stets Vertrauen in Dich und Deine Fähigkeiten.

Letztens hatte ich jemanden im Interview, dessen Angaben nicht so ganz schlüssig waren. Es war mir irgendwie nicht ganz klar, ob hier ein Schuldiger vor mir saß, oder nicht. Der Klassiker! Hier war sicher noch einiges an zusätzlicher Ermittlung notwendig.

Vermute nichts, glaube niemandem, bestätige alles!
Im Anschluss an das Interview bat mich sein Abteilungsleiter noch um ein persönliches Gespräch. Er informierte mich darüber, dass ein anderer Mitarbeiter meinen Interviewten schon bei verdächtigen Handlungen gesehen habe.
Bingo! DAS war natürlich die Bestätigung, nach der ich gesucht hatte. Ich hatte doch auch gleich so ein…Gefühl…und überhaupt, wie der sich verhalten hat…Ist er nicht auch bei der einen Frage körpersprachlich von der Basislinie abgewichen? In Ketten mit Ihm!

Aber dann fiel mir wieder eine weitere Notiz aus meinen Unterlagen aus dem WZ Seminar ein. Ein Teilnehmer, der ehemals bei der Polizei in London gearbeitet hatte, brachte uns mal das „ABC for an Investigator“ bei:
Assume nothing… Believe Nobody… Confirm everything.
Vermute nichts… glaube niemandem… bestätige alles.

Oder auf diesen konkreten Fall angewandt, machte ich zunächst folgende Fehler:
Mein Bauchgefühl hatte mir ja gleich zu verstehen gegeben, das mit dem Typen vermutlich irgendetwas nicht stimmt. Irgendwie passt er auch in so ein gewisses Profil, dass sich ganz hinten in meinem Kopf in der Schublade mit der Aufschrift „Vorurteile“ verbirgt.
Außerdem haben sein Chef und ein anderer Mitarbeiter gesehen, dass er früher auch schon krumme Dinger gedreht hat. Na wenn ich zwei unabhängig voneinander berichtenden Zeugen nicht glauben kann, wem dann? Ob sich das Ganze jetzt auch noch bestätigen lässt? Ich glaube vermutlich schon…

Das Problem mit den Bestätigungsfehlern
Wir müssen aufpassen, dass wir auf der Suche nach der Wahrheit nicht auf sog. Bestätigungsfehlern hereinfallen. Dabei entscheidet man unterbewusst selbst, was das Ergebnis der Ermittlung sein soll und verwendet seine komplette Energie darauf (s)eine Theorie, anstatt die Wahrheit (!) zu beweisen.

In diesem Fall hat mir sein Vorgesetzter den Weg zu einem Bestätigungsfehler geebnet. Es wäre an dieser Stelle nun eventuell leichter meine Theorie, anstatt die Wahrheit zu beweisen. Aber so funktioniert unser Job nicht, denn das kann, wenn man es nicht erkennt, fatale Folgen nach sich ziehen.

Wir müssen uns unbedingt und unter allen Umständen NUR auf die Fakten konzentrieren und dürfen uns nicht selbst manipulieren (lassen). Denn wer sagt denn, dass es diesen anderen Mitarbeiter, der angeblich etwas beobachtet haben will, überhaupt gibt? Wer kann denn ausschließen, dass wir es hier mit einem Abteilungsleiter zu tun haben, der gerade versucht Einfluss auf Deine Ermittlung zu nehmen, weil er die Gelegenheit nutzen möchte, um einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden?

Führe also jede Ermittlung mit dem Ziel durch, Dich nicht von Vorurteilen beeinflussen zu lassen und nach zuverlässigen Informationen zu suchen, egal zu welchem Ergebnis diese letztendlich führen. Bleibe immer ergebnisneutral. Dann stehst Du Dir selber (und Deiner Ermittlung) nicht im Weg.

Zum Schluss verlinke ich Dir hier noch ein Video, das ich im Internet zum Thema Bestätigungsfehler gefunden habe. Viel Spaß damit!