In diesem Artikel erkläre ich Dir, wie Du Dein forensisches Interview optimal vorbereitest und welche Fehler Du schon in den ersten Minuten des Gespräches vermeiden kannst.
Was kann man aus dem Showbiz für das eigene Interview lernen?
In meinen Shows bin ich darauf angewiesen, dass mein Publikum gerne mit mir zusammen ist. Die Zuschauer, die sich auf meine Bühne trauen, sollen es dort so angenehm wie möglich haben. Das zeigt zum einen, dass ich auch auf einer fremden Bühne ein guter Gastgeber bin und sorgt zum anderen auch dafür, dass die Zuschauer eher bereit sind sich auf mich und das, was ich zu bieten habe einzulassen.
Deshalb ist das Bühnenkonzept ein wichtiger Bestandteil bei der Planung einer Show. Dort überlege ich genau, welche Requisiten ich an welcher Stelle des Programms brauche, wo diese stehen sollen und wie sich daraus die effektivsten Wege auf der Bühne ergeben, wenn ich sie benutzen möchte. Nichts ist schlimmer als ein Künstler, der planlos auf der Bühne herum stolpert und seine Requisiten sucht, oder diese von links nach rechts schiebt. Das lenkt das Publikum nur ab und wirkt vor allem unprofessionell.
Aber genau wie im Showbusiness, wollen wir auch im Job, dass unser Gegenüber uns für einen Profi hält. Und daher richten wir unseren Interviewraum auch nach psychologisch günstigen und für den Gesprächspartner angenehmen Kriterien ein.
Im extremsten Fall kann ein nicht oder falsch eingerichteter Interviewraum sogar dazu beitragen, dass sich beim Gesprächspartner der innerliche Widerstand gegen das Interview erhöht.
Folgende Punkte solltest Du daher beachten:
Wer sitzt wo?
Einer der wichtigsten Punkte bei der Planung Deines Interviewraumes ist die Möglichkeit, dass der Interviewte jederzeit das Gefühl von Freiheit hat. Bei Interviews ohne Freiheitsentzug ist es wichtig, dass Dein Gesprächspartner jederzeit die Gewissheit hat, dass er bei Verlangen den Raum sofort verlassen kann, ohne auf dem Weg nach draußen ein Hindernis in Form eines Menschen oder eines Gegenstandes zwischen sich und dem Ausgang zu haben.
Das bedeutet, dass Du ihn immer so im Raum Platz nehmen lässt, dass er von allen Beteiligten am nähsten an der Tür sitzt.
Im optimalsten Fall hast Du die Gelegenheit mit Deinem Interviewpartner unter vier Augen sprechen zu können. Meiner Erfahrung nach, ist dies aber in den meisten Interviews nicht möglich, da es gerade bei Mitarbeiterinterviews firmeninterne Policies geben kann, die die Anwesenheit eines Vorgesetzten, eines Vertreters von HR, eines Mitglieds des Betriebsrates oder eines sonstigen Zeugens vorschreiben.
Manchmal kann es auch der Fall sein, dass Dein Interviewpartner gar kein Deutsch oder Englisch spricht und Du einen Übersetzer benötigst. Wenn dies der Fall sein sollte, dann nimm Dir die Zeit den Übersetzer ein wenig in das einzuweisen, was in den nächsten Minuten passieren wird. Ganz wichtig ist, dass dieser auch nur das übersetzt, was Du wirklich gesagt hast und keine eigenen Interpretationen einfließen lässt.
Das mag erst einmal merkwürdig klingen, aber glaube mir, ich weiß wovon ich da rede. Ich hatte es beruflich schon oft mit Übersetzern zu tun, die ihren Job zwar überwiegend zufriedenstellend erledigen, meist aber gar keine Profis auf dem Gebiet sind, sondern Angestellte die zufällig die gleiche Muttersprache, wie unser Interviewpartner sprechen.
Hierbei ist zu beachten, dass es je nach Thema nicht immer ratsam ist, einen Kollegen als Übersetzer zu wählen. Was in einem Interview funktioniert, bei dem unser Gesprächspartner vielleicht Zeuge einer Schlägerei unter Kollegen war, kann schon wieder ganz anders sein, wenn dieser selber Verdächtiger einer Straftat ist. In diesem Fall geht es den Übersetzer schlichtweg nichts an, was sein Kollege getan hat. Dieser wird sich uns vermutlich in diesem Fall auch gar nicht öffnen.
Jeder weiß ja, wie gut in einem Unternehmen der Flurfunk funktioniert.
Ebenfalls ist es wichtig mit dem Übersetzer schon im Vorfeld zu vereinbaren, wann er übersetzen soll. Also entweder simultan oder jedes Mal, wenn Du eine kurze Pause einlegst. Zu vermeiden ist unbedingt den Blickkontakt zum Interviewten zu verlieren. Dies kann dann der Fall sein, wenn man kurz den Übersetzer anschaut, um ihm das Signal zu geben, dass er nun übersetzen soll.
Wie positionieren wir nun zusätzliche Personen in unserem Raum? Ganz einfach: Jeder, der keine Aufgabe hat uns erst einmal nur zuhört, wird leicht schräg hinter den Interviewpartner gesetzt, sodass er aus dessen Sichtfeld verschwindet.
Im Idealfall „vergisst“ dieser dann im Verlauf des Gespräches, dass noch jemand im Raum ist. Wenn die Anwesenheit eines Übersetzers nicht zu vermeiden ist, setzt Du diesen neben Dich. So bleibst Du auch während der Übersetzung im Sichtfeld Deines Interviewpartners und es gibt keine Störung der Aufmerksamkeit, weil dieser ständig seinen Kopf drehen muss und Dich somit aus dem Fokus verliert. Dein Interviewpartner wird vermutlich während er selber spricht automatisch immer auf den Übersetzer schauen. Durch Deine Positionierung neben dem Übersetzer bleibst Du so wenigstens in seinem Sichtfeld und es entgehen Dir auch keine seiner Reaktionen oder sonstigen Körpersignale.
Wenn minderjährige interviewed werden sollen, so darf das nur in Anwesenheit der Eltern, oder eines gesetzlichen Vertreters geschehen. Diese platziere ich, genau wie beim Übersetzer, neben dem Interviewpartner. Dies hat zum einen genau die gleichen Gründe und stellt weiterhin sicher, dass mein Gegenüber sich der Situation nicht alleine ausgesetzt vorkommt. Auch hier gilt: Wenn es dem Interviewpartner gut geht, ist das gut für das Gespräch.
Laptop, Stifte, Papier und Co.
In einer perfekten Interviewwelt brauchen wir keine Unterlagen, weil wir alle Informationen schon im Kopf haben. Auch müssen wir uns keine Notizen machen, da wir ein Mega-Gedächtnis haben und uns jedes Detail einer Aussage einfach merken können. Jaja….schön wäre es zwar, aber in der Ermittler Realität sieht es leider nicht so aus. Zwar kann man sich natürlich einiges merken, aber eben nicht alles. Nichts wäre schlimmer, als sich beim Abschluss der Fallakte an gewisse Details einer Zeugen- oder Verdächtigen Aussage nicht mehr zu erinnern. Daher ist es auch nicht wirklich schlimm, wenn man einen Notizblock, Laptop, eine Akte und einen Stift auf z.B. einem kleinen Tisch neben sich liegen hat. Achte nur darauf, dass die Anordnung der Gegenstände nicht zu viel Unruhe in den Raum bringt, oder Deinen Interviewpartner gar ablenken. Die einzige Ausnahme, die ich mir hierbei erlaube, ist die Beklebung meines Laptops. Das ist quasi eine meiner subtilen Geheimwaffen! Aber dazu später mehr. Generell gilt aber: Je weniger Material ich im Raum habe, desto besser.
Informiere die anderen Anwesenden darüber, was sie tun und lassen sollen!
Durch Fehler lernt man am meisten. So passierte es mir in einem meiner ersten Interviews, dass dem als Beobachter seiner Firma anwesenden Mitarbeiter nicht klar war, was ein Beobachter so macht: Beobachten. Sonst nichts. Achso?
Naja, ich hatte leider versäumt ihm genau das im Vorfeld zu erklären. Damals benutzte ich die non konfrontative Interviewmethode von Wicklander-Zulawski und war gerade in der Phase der sog. Rationalisierung, bei der es wichtig ist, dass der Interviewpartner sich komplett auf mich konzentriert und mir zuhört. Da hatte mein Beobachter wohl plötzlich keine Lust mehr ein solcher zu sein und begann seinerseits nun Fragen an MEINEN Interviewpartner zu richten.
Mir gelang es zwar die Situation zu retten und das Gespräch wieder an mich zu ziehen, aber meine Choreografie des Gespräches war nun erst mal unterbrochen worden und ich musste neu ansetzen.
Von daher ganz klar meine Empfehlung: Briefe alle Beteiligten im Vorfeld des Interviews.
Beobachter (z.B. Mitarbeiter Personalabteilung, Angehöriger Betriebsrat, Firmeninhaber, etc.) müssen wissen, dass sie nicht Teil der Party sind. Sage Ihnen, dass Du dich an sie wendest, wenn Du während des Interviews ihre Unterstützung gebrauchen kannst. Das ist meist dann der Fall, wenn ich ein Interview in einer Firma durchführe, deren internen Abläufe ich nicht so genau kenne und eine Erklärung, Hilfestellung oder spontan eine zusätzliche Information zum Fall benötige. Vorsicht: Hierbei kann es auf den Interviewpartner wieder unprofessionell wirken, wenn ich eine Frage stelle, die ich ganz offensichtlich auch hätte vorbereiten können. Ich kann nicht auf der einen Seite behaupten, alles über ihn zu wissen und ihn dann nach einer banalen Information, wie z.B. seiner Berufsbezeichnung zu fragen. Testfragen zur Festlegung der Baseline sind hiervon allerdings ausgenommen.
Wenn sich die Situation ergibt, frage ich manchmal auch nach meinem Interview, ob der Beobachter vielleicht noch eine Frage hat. Da kann dann fast nichts mehr kaputt gehen, weil ich dann schon alle Informationen habe, die ich brauche.
Und wenn der Auftraggeber selber anwesend ist, kann man diesen so noch etwas bauchpinseln, weil man ihn mit einbezieht.
Für den Fall, dass Du eine Frage an den Beobachter richtest, oder diesen im Nachgang eine Frage stellen lässt ist es wichtig, dass diese Fragen im Sinne Deiner Strategie gestellt werden. Das bedeutet neutrale Antworten oder Fragen, die die Tat als solche nicht bewerten, sondern neutral gestellt werden. Im Zweifel verzichte lieber komplett auf die Einbindung des Beobachters.
Datenschutz
Eine innerbetriebliche Konfliktsituation, sei es Diebstahl, physische Auseinandersetzungen, Mobbing, Rassismus oder sexuelle Übergriffe, ist in jedem Unternehmen eine Ausnahmesituation. Da kann es emotional schon mal hoch hergehen. Du bist als forensischer Interviewer eine neutrale Person, der es einzig um das Herausfinden der Wahrheit geht. Zu Deiner Aufgabe gehört es auch, dass die Daten aller Deiner Gesprächspartner geschützt sein müssen. Es geht also niemanden sonst in der Firma etwas an, wer da gerade in Deinen Interviewraum kommt, was der Grund dafür ist und was da besprochen wird. Daher sollten auch Störungen während des Interviews vermieden werden. Ein Schild an der Tür mit einem entsprechenden Hinweis verhindert, dass jemand mittendrinn reinplatzt und so vielleicht, eventuell sogar aus dem Zusammenhang heraus, Gesprächsinformationen mitbekommt.
Handle stets diskret und im Sinne der Vertraulichkeit gegenüber Deiner Gesprächspartner.
In diesem Sinne verzichtet ein guter Ermittler / forensischer Interviewer auch darauf den Kollegen im Großraumbüro am Kaffeeautomaten zu erzählen, was da gleich für ein Delinquent durch die Tür kommt, oder welche Missetaten er im Interview gestanden hat. Stell Dir mal vor, Dein Interviewpartner bekommt dies mit. Damit wäre das Vertrauen zerstört und Deine Arbeit eventuell zunichte gemacht.
Ich ziehe mal kurz wieder den Vergleich zu meinen Shows als Mentalist:
Was glaubst Du wie viele Zuschauer noch zu mir auf die Bühne kommen, wenn ich einen Mitwirkenden bloßstelle, oder mich gar öffentlich über ihn lustig mache? Genau, vermutlich niemand mehr. Und genau so wird Dir auch niemand mehr vertrauen, wenn bekannt wird, dass Du mit Deinen Erfolgen der forensischen Interviews prahlst und Einzelheiten darüber preis gibst.
Ich habe es bei Diebstahldelikten manchmal auch mit mehr als einer Person zu tun. Wenn schon aus dem ersten Interview dazu Informationen nach draußen gelangen, dann gefährdet das die komplette Integrität Deiner Ermittlung. Aus dem gleichen Grund ist auch der Schutz Deiner Informationen vor dem ersten Interview wichtig. Niemand möchte, dass Beweise vernichtet, oder Zeugen eingeschüchtert werden, nur weil Du eine Plaudertasche bist. Zudem gab es in meiner Praxis manchmal Fälle, bei denen ein Zeuge oder Täter mit Vergeltungsmaßnahmen zu rechnen gehabt hätte, wenn ich Details über unser Gespräch, oder nur die pure Tatsache, dass es ein Gespräch überhaupt gab, in die Welt getragen hätte. In meiner Zeit beim militärischen Nachrichtendienst hätte dies sogar in dem ein oder anderen Fall tödlich für Interviewpartner und deren Angehörige enden können. Das möchte niemand auf seinem Gewissen lasten haben.
Schon vergessen? Du hast es geschafft innerhalb einer sehr kurzen Zeit der Freund zu werden, dem man sein Geheimnis anvertrauen möchte. Sei also ein Freund, auf den man sich auch danach noch verlassen kann!
Im zweiten Teil erkläre ich Dir, wie Du im Vorfeld einige Sicherheitsmaßnahmen für Dein Interview implementieren kannst, wie Du Deinen Gesprächspartner in den Interviewraum geleitest und wie wichtig es ist, dass sich alle Anwesenden kennenlernen. Bleib gespannt!
Bis dann.